95 % der Unternehmen korrigieren Beanstandungen ✓ viele Personalmitarbeiter sind Selektivleser (Aufgaben, Gesamtnote, Schluss) ✓ 49,5 % der Zeugnisaussteller sind ungeschult ✓
In ihrer empirischen Studie zu Arbeitszeugnissen haben Prof. Dr. Klaus Watzka und Steffi Grau von der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena, vormals Ernst-Abbe-Fachhochschule, zwei getrennte Fragebögen für Zeugnisersteller und Zeugnisauswerter erstellt.
Beide Fragebögen wurden jeweils in einer Auflage von 500 Exemplaren an Unternehmen aller Größen in Deutschland versandt.
Der Rücklauf betrug knapp 20 Prozent, nämlich 97 bei den Zeugniserstellern und 89 bei den Zeugnisauswertern 89.
Unter anderem stellten die Forscher zum Arbeitszeugnis der EAH Jena bei der Auswertung der Angaben fest, dass
49,5% der Zeugnisersteller keinerlei Schulung für ihre Tätigkeit erhalten haben, in kleinen Unternehmen sogar 80% der Zeugnisersteller,
die Hälfte der Unternehmen die Aussagekraft der von ihnen selbst erstellten Zeugnisse als „hoch“ oder „sehr hoch“ einschätzt,
53,9% aller Zeugnisauswerter keinerlei Schulung für diese Tätigkeit erhalten haben, in kleinen Unternehmen sogar 90% der Zeugnisauswerter,
die Hälfte der Unternehmen bei der Personalauswahl Arbeitszeugnisse nur „weniger intensiv“ (41,4%) oder sogar „kaum“/„gar nicht“ (9,1%) nutzt,
was im Umkehrschluss bedeutet, dass die andere Hälfte der Unternehmen bei einer Einstellungsentscheidung Arbeitszeugnisse durchaus nutzt beziehungsweise intensiv nutzt
und dass 54% der Zeugnisauswerter ein Zeugnis nicht komplett durchlesen (sog. „Selektivleser“).
Gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die überlegen, ob sie ihr Zwischenzeugnis selbst schreiben oder Fehler im Arbeitszeugnis verbessert haben möchten ist interessant, dass die erwähnten Selektivleser, also sehr schnelle Zeugnisleserinnen und -leser, die nur Teile des Arbeitszeugnisses auswerten, sich im Einstellungsprozess besonders für
die Tätigkeitsbeschreibung (85%),
die Schlussformel (61%)
und die zusammenfassende Leistungsaussage/Gesamnote (54%)
interessieren. Weiter ergab die Studie zum Arbeitszeugnis, dass Beanstandungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
So gaben immerhin 39,8 % Prozent der Unternehmen an, dass sie auf Beanstandungen und Korrekturwünsche "immer" eingehen und 55,4 % dies zumindest "manchmal" tun.
Die Ergebnisse der Studie von Prof. Dr. Klaus Watzka und Steffi Grau decken sich in weiten Teilen mit den Erfahrungen, die wir in über 25 Jahren Beratungstätigkeit zu den Themen Arbeitszeugnis, Bewerbung und Karriere gemacht haben. Unsere Erfahrungen beziehen sich dabei auf über 6.000 analysierte Arbeits- und Zwischenzeugnisse.
Aus unserer Sicht lohnt es sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fast immer, fehlerhafte, missverständliche oder abwertende Formulierungen zu beanstanden und - zunächst freundlich - eine Verbesserung zu verlangen.
In den meisten Fällen erleben auch wir, dass die Unternehmen auf die Veränderungswünsche vollständig oder zumindest teilweise eingehen.
Weiter sollten
der Tätigkeitsblock, zu dem aus unserer Sicht gerade auch besondere berufliche Erfolge gehören,
die Gesamtnote
und der Schlussabsatz mit der "Dank und Bedauerns"-Formel (Arbeitszeugnis) beziehungsweise der "Dank und gute Wünsche"-Formel (Zwischenzeugnis)
immer genau überprüft werden.
Schließlich hat die Studie bestätigt, dass "Selektivleser", die wir in unserer Beratungspraxis zum Arbeitszeugnis ebenfalls als Schnellleser identifiziert haben, gerade den genannten drei Teilbereichen in Zeugnissen bei der Auswertung im Bewerbungsverfahren erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden.
Daher sollten die drei sehr wichtigen Teilaspekte - Aufgaben, Gesamtnote und Schluss - in jedem Fall überzeugen. Wer hier Hilfestellung wünscht, kann unsere PDF-Downloads für Führungskräfte und Fachkräfte, jeweils mit Bezug aufs spezielle Berufsfeld ("Tätigkeitsblock"), nutzen.
Leider gar nicht thematisiert wurden von den Forschern die aus unserer Sicht aktuellen und wichtigen Aspekte Elternzeit und Frauen-Stereotype in Arbeitszeugnissen. Vielleicht folgt hierzu bald eine weitere Studie, über die wir gerne berichten werden.
Christian Püttjer & Uwe Schnierda twitter: karrierecoaches
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