Gendern im Anschreiben und in der Bewerbung.
❓ Wird meine Bewerbung aussortiert, wenn ich nicht gendere?
❓ Muss ich schon im Anschreiben Gendersprache mit Sternchen, Unterstrich oder Binnen-I verwenden?
❓ Richtig gegendert: Soll ich dann im Anschreiben von Kolleg_innen, Kolleg:innen, KollegInnen oder Kolleg*innen verwenden?
❓ Oder mache ich etwas falsch, wenn ich in mit meiner Bewerbung gegen die amtliche Rechtschreibregelung verstoße, die ja gar kein Gendern kennt?
Muss ich im Anschreiben gendern? Ja, wenn auch in der Stellenanzeige gegendert wird. Sie können aber Kolleginnen und Kollegen schreiben, statt Kolleg:innen. Oder Kundschaft, statt Kund_innen.
Keine Frage, beim Gendern kochen die Emotionen schnell hoch.
Denn die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung lehnt eine formalistische, ideologische und übertriebene Gendersprache ab.
Allerdings geht es hier ja nicht darum, ob Sie persönlich das Gendern in der Schriftsprache oder in Gesprächen mögen. Sondern darum, ob Sie in Ihrem Anschreiben, Ihrem Lebenslauf und vermutlich auch im Vorstellungsgespräch Gendern müssen.
Wie formuliert man "Sehr geehrte Damen und Herren" genderneutral? Schreiben Sie "Hallo Team" oder "Guten Tag Herr Müller". Möglich ist auch "Guten Tag Nele Schmidt".
Grundsätzlich sollte sich die Anrede im Anschreiben immer an einen konkreten Ansprechpartner richten.
Die Anrede "Lieber Herr Yilmaz" ist ungeeignet für ein Anschreiben, sie wirkt eher distanzlos. Auch hier ist "Guten Tag Herr Yilmaz" oder "Hallo Aslan Yilmaz" besser.
Gendern in Anrede: Formulierungen
Hallo Team Müller GmbH,
Guten Tag HR-Team Logistics AG,
Sehr geehrtes Recruiting Team,
Hallo Personalabteilung der Schmidt GmbH & Co. KG,
Guten Tag Kreisverwaltung Rendsburg-Eckernförde,
Sehr geehrte Logistik-Expertinnen und -Experten,
Stellenanzeige gegendert, dann auch im Anschreiben Prüfen Sie vor Ihrer Bewerbung, ob in der Stellenausschreibung durchgängig gegendert wird. Also nicht nur in der Positionsbezeichnung. Sondern auch im weiteren Text der Stellenausschreibung. Überprüfen Sie, wie der neue Arbeitgeber auf der eigenen Homepage formuliert. Entweder nehmen Sie den vorgegebenen Kommunikationsstil einschließlich Gendersprache auf. Und verschaffen sich damit unter Umständen einen kleinen Vorteil für Ihre moderne Bewerbung. Oder eben nicht. |
Ebenso, wie Sie bei einer Start-up-Bewerbung meist Duzen sollten, weil dies aus der Stellenanzeige hervorgeht, sollten Sie als Reaktion auf eine gegenderte Stellenausschreibung dann im Anschreiben gendern.
Aber selbstverständlich haben Sie auch das Recht, auf eine vorgeblich gendergerechte Sprache in Ihrer Bewerbung zu verzichten.
Werden Bewerber, die nicht gendern, aussortiert? In Verwaltungen eher ja, in Unternehmen eher nein.
Es kann dann unter Umständen passieren, dass Sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.
Dies hängt aber immer von mehreren Faktoren ab.
Sucht eine Universität Mitarbeiter*innen?
Sucht eine Verwaltung neue Kolleg*innen?
Möchte sich ein Unternehmen einen modernen Anstrich geben?
Sucht gar die TAZ oder ein anderes politisch links ausgerichtetes Medienunternehmen Journalist*innen?
In der Bewerbungspraxis dürfte es eine viel größere Rolle spielen, wie groß die Konkurrenz um die ausgeschriebene Stelle ist.
Sicherlich lassen sich viele Programmierer kaum zum Gendern bewegen. Werden aber dennoch eingestellt, weil sie einfach Mangelware sind.
Auch Spitzenwissenschaftler, Top-Managerinnen, ausgewiesene Experten für Online-Marketing oder Patentanwältinnen werden mit oder ohne Gendern im Anschreiben immer einen guten Job finden.
Wenn Sie, wie 86 Prozent der Bevölkerung, der Meinung sind, dass Gendern eigentlich unwichtig ist, können Sie bei Bedarf einen Kompromiss für Ihr stärkenorientiertes Anschreiben wählen.
Soft Gendern im Anschreiben
Schreiben Sie von Kolleginnen und Kollegen, dann können Sie auf Kolleg*innen verzichten.
Gleiches gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Verwenden Sie statt der ausschließlich männlichen Form "Kollegen" lieber "Team", falls es passt.
Sprechen Sie nicht von "Kunden", sondern von "Kundschaft".
Oder verwenden Sie englische Begriffe wie "Buyer Persona".
Und betonen Sie passende Stärken wie Offenheit, Wertschätzung oder auch interkulturelle Kompetenz.
Die eben vorgestellten Tricks zum "Soft Gendern" können Sie im Lebenslauf fortsetzen.
Dort ist es üblicherweise auch viel leichter, auf die von vielen Bewerberinnen und Bewerbern als störend, überflüssig oder sogar albern empfundene Gendersprache zu verzichten.
Denn viele Recruiter, Personalmitarbeiter oder Headhunter überfliegen Anschreiben nur kurz und schauen deutlich intensiver in den Lebenslauf.
Aus diesem Grund sind die Anforderungen an aussagekräftige CVs mittlerweile deutlich gestiegen.
Sicherlich wirksamer als eine perfekte Gendersprache sind aktive Formulierungen, wenn es darum geht, Aufgaben und Verantwortungsbereiche im Lebenslauf interessant zu beschreiben.
Nicht gegendert, aber aktiv formuliert Stellen Sie Ihre Berufserfahrung im Lebenslauf mit Wörtern wie "erreicht", "organisiert", "verbessert", "geplant" oder "verantwortet" dar. |
Spezielle Tipps dazu bekommen Sie hier.
Führungskräfte, Projektmanagerinnen und Projektleiter sollten sich weniger Gedanken ums Gendern in der Bewerbung machen. Und lieber die in der Stellenausschreibung gewünschten Führungsqualitäten im Lebenslauf herausstellen.
Beispielsweise Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsstärke, Gestaltungwille oder auch Beharrlichkeit.
Handlungsstarke Führungskräfte So verdeutlichen Sie Ihre Veränderungsstärke im Lebenslauf: "Konzeption von", "Optimierung von", "Neuausrichtung der", "Restrukturierung von", "Initiiierung der" 5/2019 bis heute Neugestaltung der Schnittstellen zwischen ... |
Letztlich kommt es darauf an, ob Sie zu einem Unternehmen, einer Verwaltung oder einer Organisation und dem dort vorherschenden Kommunikations- und Handlungsstil passen.
Coachingtipp Unserer Ansicht nach können Sie zwar im Anschreiben "gute Miene zum bösen Spiel" machen und zumindest "Soft Gendern". Auch wenn Sie das Sternchen- und Binnen-I-Gendern eigentlich innerlich ablehnen. Aber doch eine Einladung zu einem Vorstellungsgepräch bekommen möchten. |
Im eigentlichen Job-Interview werden Sie feststellen, ob es eine Passung zwischen Ihnen und dem neuen Arbeitgeber gibt. Oder eben auch nicht.
In vielen Branchen herrscht ein klarer Fachkräftemangel.
Daher dürfte es verwunderlich sein, wenn sehr nachgefragte Bewerberinnen und Bewerber letztlich nicht eingestellt werden, weil sie nicht permanent die Gendersprache verwenden.
Wenn Sie Kolleginnen und Kollegen, Kundinnen und Kunden oder Dienstleisterinnen und Dienstleister überzeugen oder vielleicht sogar begeistern können, stehen Ihnen viele berufliche Optionen offen.
Betonen Sie Ihre Begeisterungsfähigkeit im Anschreiben.
Immer gefragt ist auch ein gelebter Teamgeist.
Und wenn Sie im Bereich B2B oder B2C arbeiten, sollten Sie in der Bewerbung unbedingt Ihre Kundenorientierung hervorheben.
Unternehmensziele, Abteilungsziele oder Teamziele lassen sich nicht allein verwirklichen. Stellen Sie In Ihrem Lebenslauf Ihr kommunikatives Geschick im beruflichen Alltag in den Fokus.
Verdeutlichen Sie Ihre Kommunikationsstärke bereits mit der Bewerbung.
Falls gewünscht, verweisen Sie schon im Anschreiben auf Ihre interkulturelle Kompetenz.
Ob Sie im Anschreiben gendern oder nicht, bleibt letztlich Ihnen und Ihrer emotionalen Intelligenz überlassen.
Für Ihre Bewerbung mit und ohne Gendersprache wünschen wir Ihnen viel Erfolg!
Gerne berät der Bewerbungsprofi Christian Püttjer auch Sie per Videocall, telefonisch oder persönlich: Alle Beratungsangebote - auf einen Blick!