Laut Rechtsprechung gilt "Das Arbeitszeugnis muss inhaltlich in erster Linie wahr sein."
Müssen also Krankheit, längere Fehlzeiten, Mutterschutz, Elternzeit oder Sabbatical erwähnt werden?
Was ist mit Alkohol während der Arbeitzeit? Kiffen, Meth oder Kokain?
Sind Abmahnungen im Zeugnis anzugeben?
Was ist mit einer Schwerbehinderung, körperlichen Einschränkungen oder chronischen Krankheiten?
Gilt die Wahrheitspflicht auch für länger zurückliegende Pflichtverletzungen während der Arbeitszeit?
Und was ist mit Straftaten, konkreten Verdächtigungen oder dem Verlust des Führerscheins?
Müssen alle hier genannten Wahrheiten letztlich auch im Arbeitszeugnis erwähnt werden, wenn sie vorliegen?
Definition: In der Zeugnispraxis gilt die Wahrheitspflicht nur eingeschränkt. Nicht alles, was wahr ist, darf oder muss auch im Arbeitszeugnis genannt werden.
Üblicherweise werden "einmalige Vorfälle" und "länger als drei Jahre zurückliegende Pflichtverletzungen" nicht genannt. Es gibt viele Einschränkungen, Ausnahmen und Vorbehalte, an die Arbeitgeber bei der Zeugnisausstellung gebunden sind.
Denkbar ist, dass ein Sicherheitsmitarbeiter vor fünf Jahren auf seinem Rundgang unabsichtlich zwei Sichtkontrollen nicht ausgeführt hat. Sind weitere Verletzungen von Arbeitspflichten seitdem nicht mehr vorgekommen, ist dieser einmalige Vorgang keinesfalls ins Zeugnis aufzunehmen. Denn die "Pflicht zur Wahrheit" wird begrenzt von der Wohlwollenspflicht.
Gleiches dürfte gelten für
private Telefonate während der Arbeitszeit,
privates Surfen im Internet,
Unpünktlichkeit,
unsachliche Kritik an Entscheidungen des Arbeitgebers,
Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht,
Verschweigen wichtiger Informationen,
Verstoß gegen Compliance-Regeln oder
Verstoß gegen das Rauchverbot.
Achtung: Diese Aufzählung ist keine Rechtsberatung, das dürfen nur Rechtsexperten. Und diese Aufzählung kann auch nicht vorhersagen, wie Arbeitsgerichte im Einzelfall entscheiden werden.
Dennoch gilt der oben aufgeführte Grundsatz, dass einmalige Verstöße, die womöglich auch noch mehrere Jahre zurückliegen, trotz Wahrheitspflicht nicht ins Arbeitszeugnis gehören.
In der Praxis hat sich noch eine weitere Schutzfunktion für Arbeitnehmer etabliert.
Da Sie jetzt ja bereits wissen, dass kürzliche Verletzungen von Arbeitspflichten, die womöglich auch noch mehrmals stattgefunden haben, unter Umständen Eingang ins Arbeitszeugnis finden könnten, sollten Sie weiter überlegen, ob es dazu eine Abmahnung gegeben hat.
Praxistipp: Nur mit Abmahnung ins Zeugnis Pflichtverletzungen dürfen üblicherweise nur dann erwähnt werden, wenn es dazu auch eine schriftliche Abmahnung (hier: 50 Beispiele) gab. Die Abmahnung selber darf aber auf keinen Fall im Zeugnis stehen. |
1. Krankheit | Grundsätzlich nein. Evtl. Ausnahme krankhafter Alkoholismus, mehr dazu hier: Krankheitszeiten im Zeugnis |
2. Straftaten | Ja. Aber nur wenn nachgewiesen. |
3. Verdächtigung | Nein. Verdachtsmomente auch bei laufendem Verfahren nicht erlaubt im Zeugnis. |
4. Ehrlichkeit | Ja. Beim Umgang mit Geld, beispielsweise Kassierer Bank, Supermarkt, Baumarkt. |
5. Abmahnung | Nein. |
6. Alkohol |
Nein. Nur wenn häufiger und Abmahnung. Evtl. Ausnahme Alkoholismus (Krankheit). |
7. Unpünktlicher Arbeitsantritt | Nein. Nur wenn häufiger und Abmahnung. |
8. Mutterschutz | Nein. |
9. Elternzeit | Nein. Faustregel: Nur wenn länger als Hälfte der Beschäftigungsdauer, mehr dazu hier: Elternzeit im Zeugnis |
10. Sabbatical | Nein. Faustregel: Nur wenn die berufliche Auszeit länger dauerte als aktive Zeit der Beschäftigungsdauer. |
11. Teilzeit | Ja. Aber es gibt Grenzfälle und Ausnahmen, mehr dazu hier: Teilzeit im Zeugnis |
Auch an dieser Stelle noch einmal der Hinweis, dass Sie sich im Einzelfall an einen Experten für Arbeitsrecht (Anwalt) wenden sollten, um Ihr Anliegen genau zu klären.
Aber Sie ahnen auch jetzt schon, dass es keinesfalls eine "allgemeine Wahrheitspflicht ohne Einschränkung" für Zeugnisse gibt.
Diese Artikel aus unserer über 25-jährigen Beratungspraxis helfen Ihnen professionell weiter.
Arbeitszeugnis: 200 Formulierungen
Arbeitszeugnis: Tätigkeitsbeschreibung
Arbeitszeugnis: Gesamtnote
Arbeitszeugnis: Kündigungsgrund
Arbeitszeugnis: Aufbau
Arbeitszeugnis: 800 Muster und Vorlagen
Wenn Sie in Ihrem Arbeitszeugnis Abwertungen entdeckt haben, die für Sie gar nicht charakteristisch sind, sollten Sie darauf hinarbeiten, diese entfernen zu lassen.
Überprüfen Sie grundsätzlich immer auch die Aufgabenbeschreibung, die Gesamtnote und den Schlussabsatz.
Wird deutlich, welche Tätigkeiten Sie im Lauf der Jahre zuverlässig bearbeitet haben? Sind Ihre persönlichen Stärken auch im Zeugnis erkennbar? Und ist der Schlussabsatz idealerweise mit dem Dank für die gute geleistete Arbeit und dem Wunsch nach "weiterhin Erfolg" verbunden?
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