Der Faktor Selbstreflexion: Sollte Ihnen die Frage "Was war Ihr bisher größter Fehler oder Misserfolg?" gestellt werden, geht es Personalmitarbeitern in den Firmen und externen Personalberatern überspitzt formuliert um die Klärung der folgenden zentralen Einschätzung Ihrer Persönlichkeit.
Haben Sie gelegentlich Probleme im Berufsalltag? Oder sind Sie womöglich das Problem? |
Beispiele gesucht: Wie lautet also eine überzeugende Antwort, damit Sie den Stresstest in Sachen Misserfolg bestehen?
Taktisch antworten: Schließlich sollten Sie verständlicherweise weder zu oberflächlich und ausweichend, noch zu ehrlich und offen auf die Frage nach Rückschlägen, Niederlagen oder Fehlentscheidungen reagieren.
Nur ein Test: Wie so viele schwierige Fragen im Vorstellungsgespräch, sollte auch dieser Klassiker nicht als „letzte Wahrheit“ missverstanden werden.
Was soll die Frage wirklich? Gerade die Bewerberinnen und Bewerber, die wenig vorbereitet in telefonische Vorabgespräche oder persönliche Vorstellungsgespräche gehen, werden unserer Erfahrung nach von Fragestellungen dieser Art häufig kalt erwischt.
Richtige Strategie: Schliesslich geht es ja nicht nur darum, von einem Problem, einem Hindernis oder einer unangenehmen Situation im Arbeitsalltag zu sprechen, sondern vor allem auch darum, welche Lösung dafür gefunden wurde.
Zu ehrlich: Auf keinen Fall sollten in der Stresssituation Job-Interview also existentielle berufliche Niederlagen thematisiert werden, die dann zum K.o-Kriterium in der Einstellungsentscheidung werden.
Nennen Sie also bitte nicht derartig gravierende Misserfolge, die es unvorstellbar erscheinen lassen, dass Sie der oder die Richtige für die zu besetzende Stelle sind.
Antworten, die Beispiele für "nachhaltige Misserfolge" enthalten dürfen daher auf keinen Fall gegeben werden.
„Meine Ertragszahlen waren so schwach, dass mir gekündigt wurde.“
„Ich habe meine Kollegen immer wieder ganz offen vor allen anderen kritisiert, was dazu führte, dass ich im Arbeitsalltag völlig isoliert wurde.“
„Meine IT-Strategie war unbrauchbar, weil sie nicht genügend mit den anderen Abteilungen abgestimmt war.“
„Mit meinen Wutanfällen habe ich meinen besten Mitarbeiter aus der Firma vergrault.“
„Ich bin mit den asiatischen Großkunden und ihrem langatmigen Verhandlungsstil einfach nicht zurechtgekommen.“
„Ich habe falsche Entscheidungen hinsichtlich der Restrukturierung getroffen.“
In Job-Interviews wird Ihre Antwort auf die Frage nach Misserfolgen, Rückschlägen, Schwierigkeiten, Problemen, Konflikten und Niederlagen immer dann überzeugen, wenn Sie letztlich doch Lösungen gefunden haben.
Oder sich bei Ihnen zumindest ein Lernerfolg für ähnliche Probleme in der Zukunft eingestellt hat.
Aus taktischen Gründen können Sie in Ihrer Antwort Beispiele aus der weiter zurückliegenden beruflichen Vergangenheit erwähnen.
Viele Führungskräfte haben ihren Gesprächsstil, ihre Überzeugungskraft und ihre Durchsetzungsstärke erst im Lauf der Zeit entwickelt und ausgebaut.
Daher bietet es sich an, für die Frage nach Misserfolgen Beispiele auszuwählen, die etwas in der Vergangenheit liegen. Oft sind dies Erfahrungen aus der ersten Stelle als Projektleiterin, Projektmanager oder Führungskraft.
Vermutlich sind auch Sie seinerzeit anders in kritische Mitarbeitergespräche eingestiegen als heute.
Vielleicht waren Sie im Ton zu forsch, in den Emotionen zu heftig oder im Nachgang nicht kompromissbereit genug, wenn es darum ging, die Wogen wieder zu glätten.
„Als Misserfolg würde ich im Nachhinein meine ersten Kritikgespräche als Führungskraft sehen. Ich war damals wenig vorbereitet auf diese zusätzliche Verantwortung, wollte schnell überzeugende Ergebnisse präsentieren und habe fachlichen Aspekten mehr Gewicht gegeben als persönlichen.
Im Ergebnis führte dies dazu, dass ein mir unterstellter insgesamt leistungsstarker Mitarbeiter dann ohne Vorwarnung gekündigt hat. Er fühlte sich zu sehr unter Druck gesetzt. Das war schon eine persönliche Niederlage für mich.
Ich habe meine Führungskommunikation seinerzeit intensiv reflektiert und auch ein Intensivcoaching in Anspruch genommen. Kurz gesagt bin ich aus dem Schaden klug geworden. So etwas habe ich dann nicht mehr erleben müssen.“
Oder wählen Sie ein Beispiel für ein missglücktes Projekt, das wegen unklarer Kompetenzverteilungen scheiterte.
„Hmm, ein Misserfolg, da muss ich erst mal nachdenken. Bei uns lief es ja meistens rund. Aber die Arbeitsgruppe Cost Cutting fällt mir ein, da hatten wir von der Geschäftsleitung die Vorgabe bekommen, uns in einer Managementrunde auf Kostensenkungen zu einigen.
Irgendwie ging das nicht richtig vorwärts. Eigentlich wollte jeder, dass der andere spart. Das war letztlich sehr unbefriedigend.
Ich habe dann in meinem Bereich Kostensenkungsprogramme initiiert und gehofft, durch gutes Beispiel zu überzeugen. Ein gemeinsam getragenes Programm zum Cost Cutting kam aber leider nicht zustande.“
eigene Fragen an neue Arbeitgeber
Sollten Sie also in künftigen Vorstellungsgesprächen danach gefragt werden, was Ihr größter beruflicher Misserfolg war, sind Sie nun besser vorbereitet.
Erstens: Sie wissen jetzt, dass die Frage „Was war Ihr größter Misserfolg?" eigentlich "Was haben Sie aus Ihren Misserfolgen gelernt?“ lautet.
Zweitens: Sie haben sich im Vorfeld von Bewerbungsgesprächen, Assessment-Centern und Management-Audits drei konkrete Beispiele ("Critical-Incidents") aus Ihrer Berufspraxis überlegt, die anschaulich und glaubwürdig verdeutlichen, was Ihr Anteil an dem zu schildernden Misserfolg war und was Sie seitdem anders machen.
Drittens: Sie haben taktisch solche Beispiele für Misserfolge ausgewählt, die Sie einerseits als authentischen Bewerber zeigen, der auch einmal Fehler macht, dazu steht und sein Verhalten reflektieren kann. Aber andererseits darauf geachtet, dass Sie nicht solche fatalen Fehler, Versäumnisse oder Verstöße erwähnen, die Sie für die Besetzung der neuen Stelle als völlig ungeeignet erscheinen lassen.
Bereiten Sie sich auf weitere zentrale Fragen in Job-Interviews ebenso gründlich vor wie auf die Frage nach einem Misserfolg.
Wo sehen Sie Ihre Stärken?
Und wo Ihre Schwächen?
Was unterscheidet Sie von anderen Bewerberinnen und Bewerbern?
Welche Stärken und Kompetenzen zeichnen Sie als Führungskraft aus?
Abschlusstipp: Inspirierende Beispielantworten auf diese und viele weitere gängige Fragen in Vorstellungsgesprächen finden Sie in unseren speziellen E-Learnings Vorstellungsgespräch.
Für Ihre Vorstellungsgespräche wünschen wir Ihnen viel Erfolg!
Christian Püttjer & Uwe Schnierda twitter: karrierecoaches
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